Wie bleibt Made in Germany ein geschätztes Gütesiegel?
Interview mit Frank Haines, Chief Sales Officer, Logicalis GmbH
„Qualitätsgesichtspunkte allein reichen heutzutage nicht mehr aus, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der deutsche Mittelstand muss digitale Technologien und agile Methoden adaptieren, damit „Made in Germany“ ein geschätztes Gütesiegel bleibt.“
1. Warum engagieren Sie sich in der Innovation Alliance?
Die Digitalisierung ist ein sehr komplexes Thema. Sie besteht aus vielen unterschiedlichen Facetten, die ineinandergreifen und sich gegenseitig beeinflussen. Als Expertenverbund hat die Innovation Alliance das erforderliche Know-how, um alle relevanten Themengebiete zu adressieren und mittelständischen Unternehmen die gesamte Bandbreite des digitalen Spektrums zu erschließen.
2. Welche Erfahrungen haben Sie im Bereich Digitalisierung?
Klar ist: DAS klassische Digitalisierungsprojekt gibt es nicht. Jeder Kunde, jedes Projekt ist anders. Viele (unserer) Kunden befinden sich aktuell in einer Orientierungsphase. Sie müssen erst noch herausfinden, wo und wie Digitalisierungsprojekte gewinnbringend eingesetzt werden können, um dem Ruf nach mehr Agilität, Automatisierung, Kosteneffizienz und Kundenfreundlichkeit folgen zu können; oder neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Es handelt sich vielfach um Leuchtturmprojekte, die aber eine Signalwirkung für Kunden und Märkte haben.
3. Was ist Ihre Zukunftsvision der Industrie 2050?
Die Digitalisierung wird neue Geschäftsmodelle mit sich bringen, die durch einen hohen Automatisierungsgrad und Selfservices geprägt sind. Technologien wie Augmented/Virtual Reality, Industrial IoT, Artificial Intelligence (AI) oder 3D-Printing werden alltäglich sein. Durch sie werden sich Bereiche wie Produktentwicklung, Produktion und Marketing nachhaltig verändern. Unternehmen, die in puncto Automatisierung und Agilität hinterherhinken, werden es schwer haben, sich am Markt zu behaupten.
4. Welche Bedeutung hat Digitalisierung Ihrer Einschätzung nach für den deutschen Mittelstand?
Qualitätsgesichtspunkte allein reichen heutzutage nicht mehr aus, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der deutsche Mittelstand muss digitale Technologien und agile Methoden adaptieren, damit „Made in Germany“ ein geschätztes Gütesiegel bleibt. Den Ergebnissen der jüngsten CIO-Studie von Logicalis zufolge, gibt es hier noch deutlichen Nachholbedarf: Nur 27 Prozent der deutschen CIOs gaben an, dass ihre Unternehmen IoT-Technologien bereits nutzen; global sind es rund 50 Prozent. In den Bereichen KI und Machine Learning sind die Umfrageergebnisse ähnlich.
5. Welche Vorteile können KMU aus Ihrer Zielbranche aus der Digitalisierung ziehen?
Digitale Technologien wie Data Analytics oder IoT bieten vielfältige Möglichkeiten, neue Geschäftsmodelle zu erarbeiten oder bestehende signifikant zu verbessern. So lassen sich beispielsweise die Time-to-Market reduzieren oder die Customer Experience verbessern. Ein anderes Beispiel: Indem Sie vorhandene Arbeitskräfte bei ihrer Arbeit unterstützen und entlasten, können Automatisierung und AI dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu kompensieren.
6. Welche Schwierigkeiten haben KMU Ihrer Zielbranche mit der Digitalisierung?
Digitale Technologien sind komplex und anspruchsvoll. In puncto Flexibilität, Stabilität und Sicherheit stellen sie hohe Anforderungen an die IT-Architekturen der Unternehmen. Das Problem für den Mittelstand: Ihren oft noch sehr klassischen IT-Infrastrukturen mangelt es an der hierfür zwingend notwendigen Standardisierung; sie müssen modernisiert, wenn nicht sogar erneuert werden. Spätestens an dieser Stelle kommt als „Hebel“ das Thema Cloud ins Spiel. Und die Bedürfnisse von Unternehmen sind diesbezüglich genauso vielfältig wie die Auswahl an Cloud-Modellen und -Anbietern. So gibt es beispielsweise für IoT spezielle Clouds, die für die Anbindung von Tausenden von Geräten und Schnittstellen prädestiniert sind. Um hier die richtigen Entscheidungen zu treffen, mangelt es vielen mittelständischen Unternehmen schlicht am notwendigen Know-how. Diese Beispiele zeigen: Für den Mittelstand ist es oft schwierig, die für ihren Digitalisierungspfad notwendigen Entscheidungen bei der Modernisierung ihrer IT-Infrastrukturen zu treffen und umzusetzen.
7. Gibt es eine goldene Regel, die für die Digitalisierung von KMU gilt? Zum Beispiel wo oder wie man beginnen sollte?
Für jedes Unternehmen gilt: Strategisch vorgehen. Und: Lieber klein anfangen als sich mit dem „großen Wurf“ überfordern. Gerade für ein mittelständisches Unternehmen kann es ratsam sein, zunächst einzelne Fachbereiche oder Themen herauszugreifen. Auf diese Weise können sie Digitalisierungserfahrung sammeln, die Infrastruktur hinsichtlich ihrer Tauglichkeit überprüfen und weitere Vorhaben fundiert bewerten und planen. Dabei ist es wichtig, Mitarbeiter von Beginn an ins Boot zu holen und Erfolge sowie Misserfolge offen zu kommunizieren.
8. Was wird DAS Thema der Mittelstandsdigitalisierung bis 2021?
Modernisierung. Und zwar in jeder Hinsicht, sprich: Modernisierung der Infrastrukturen, der Prozesse und im weitesten Sinne auch der Mitarbeiter-Skills. Nur wenn all diese Bereiche miteinander im Einklang sind, können Digitalisierungsprojekte erfolgreich sein.